Für drei Wochen im September 2023 beherbergt die Dorfkirche in Sausedlitz (bei Delitzsch | Evangelischer Kirchenkreis Torgau-Delitzsch) ein außergewöhnliches Projekt. Unter der Leitung von Dipl.-Restaurator Oliver Tietze (Leipzig) werden vier Studentinnen aus vier verschiedenen Ländern (Holland, Polen, England, Russland) und eine Praktikantin aus Deutschland an der barocken Ausstattung der Kirche in Sausedlitz arbeiten. Sie studieren Restaurierung und ergänzen bei dieser Arbeit ihre akademische Ausbildung durch praktische Erfahrungen bei der Arbeit an den Objekten. Oliver Tietze selbst hat an der Hochschule für Bildende Künste Dresden studiert; ist selbständiger Restaurator, hat ein eigenes Atelier in Leipzig und arbeitet im Vorstand des Leipziger Kunstretter Vereins.
In Sausedlitz geht es konkret um restauratorische Untersuchungen und Musterachsen am Altar und um die Restaurierung des Gehäuses der Voigt-Orgel. Ziel ist es, die ursprüngliche Schönheit der barocken Kirchenausstattung, die durch die wechselvolle Geschichte sichtbar gelitten hat, wiederzubeleben. Von einem ockergrauen Anstrich verborgene Gemälde aus vergangen Zeiten werden teilweise freigelegt. Zahlreiche Details wie Marmorierungen und
Ornamente werden untersucht und erfasst. Drei Wochen reichen dabei natürlich nicht für den gesamten Altar aus, so dass vorerst Musterflächen angelegt werden, die einen Eindruck für das Endergebnis und eine Kalkulationsgrundlage bieten. Die vielfältigen Arbeitsschritte
bieten den Studentinnen gute Möglichkeiten, ihren Erfahrungsschatz zu mehren. Ergänzt wird die praktische Arbeit durch Exkursionen zu benachbarten Kirchen (z. B. in die Kirche in Laue) und nach Leipzig in Museen und zu Fachkolleginnen.
Oliver Tietze. „Ein Nebeneffekt, der in unseren Tagen fast noch wichtiger ist als der restauratorische Nutzen ist der Aspekt der Begegnung. Wann lernt man sich besser kennen als bei gemeinsamer Arbeit? Wann haben Menschen aus England oder Holland die Möglichkeit die Gastfreundschaft der Leute aus Nordsachsen kennen zu lernen?“
Der Altar aus der kleinen Dorfkirche in Sausedlitz bekommt somit unerwartet eine weitere Aufgabe. Durch ihn werden Brücken geschlagen zwischen den Menschen und Völkern. Wenn man sich auf die Kernaussagen von Jesus besinnt, dann überrascht diese neue Rolle des Sausedlitzer Altars nicht wirklich. Als Kanzelaltar ist er als sprichwörtliche Brücke von (Gottes) Wort zur Gemeinde erschaffen worden und nun bietet er die Brücke für die Begegnung von Menschen aus der ganzen Welt.
Das Projekt trägt den Namen ISA (Abkürzung für Sommerseminar für junge Akademiker). Diese Seminare werden schon seit 2017 von der Restauratoren-PG pons-asini zusammen mit den Eigentümern der Denkmale veranstaltet. Die Studierenden kamen aus ganz Europa, England, Spanien, Kroatien, Schweiz, Holland, Polen, Russland und sogar aus Hong Kong und dieses Jahr auch aus Taiwan. Gesprochen wird Englisch.
In 2023 findet das ISA in Sausedlitz und auf dem Johannesfriedhof in Jena statt. In Sausedlitz wird das Sommerseminar bis zum 22. September 2023 stattfinden. Interessierte Besucher und Gemeindemitglieder sind jeder Zeit herzlich willkommen, um den jungen Restauratorinnen bei ihrer Arbeit über die Schulter zu schauen. Diese Woche tat das schon einmal ein Kamerateam des MDR – kommt nichts dazwischen, dann kann der Filmbericht im Sachsenspiegel am 16.9. um 19 Uhr angeschaut werden... und ab dann jederzeit in der MRD-Mediathek. Andreas Bechert
Ein Team vom MDR-Sachsenspiegel drehte über die Arbeiten der jungen Restauratorinnen einen Filmbericht, der am 16. September um 19 Uhr gesendet werden soll. Fotos: Stephanie Bechert
Dipl.-Restaurator Oliver Tietze leitet das ISA-Sommerseminar – hier am Arbeitstisch mit Geogria Stevenson aus England (r.) und Daria Tarasenko aus Russland.
Daria Tarasenko arbeitet an der Krönung des Orgelprospektes. Die Originalfassung wird dabei freigelegt und anschließend retuschiert.
Oliwia Gabrys aus Polen bei ihrer Arbeit an der Tür des Kanzelaltars. Der Türspiegel wird akribisch Stück für Stück freigelegt – hinter dem Farbanstrich ist ein Bild verborgen. Es zeigt theologische Tugend „Glaube“. Vermutlich lassen sich auch noch die anderen beiden Tugenden „Hoffnung“ und „Liebe“ irgendwo am Altargehäuse entdecken.
An der Mensa des Altars ist Eva Sol aus Amsterdam damit beschäftigt, Farbuntersuchungen für eine spätere Restaurierung zu dokumentieren und zu sichern.