Schlosskapelle soll UNESCO-Welterbestätte werden
Seit Februar 2024 wird die Torgauer Schlosskapelle als Einzelantrag auf der deutschen Vorschlagsliste für das UNESCO-Welterbe geführt. Antragsteller ist der Landkreis Nordsachsen in enger Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege Sachsen und mit Unterstützung des Staatsministeriums für Infrastruktur und Regionalentwicklung. Derzeit befindet sich der Antrag noch auf der sogenannten Tentativliste – ein Dokument mit Kulturdenkmälern, für die von den jeweiligen Staaten eine Nominierung als UNESCO-Weltkulturerbe angestrebt wird. Der vorgeschlagene außergewöhnliche universelle Wert der Kapelle wird wie folgt definiert: „Die Kapelle im Torgauer Schloss Hartenfels ist ein Prototyp protestantischer Kirchenarchitektur, ein authentisches Zeugnis der Reformation und von herausragender kunsthistorischer, historischer und religiöser Bedeutung. Sie wurde 1543-44 von Herzog Johann Friedrich dem Großmütigen, Kurfürst von Sachsen, in Auftrag gegeben und erbaut und ist das erste Gotteshaus, das nach den Ideen und liturgischen Erfordernissen des protestantischen Gottesdienstes errichtet und durch Martin Luther selbst eingeweiht wurde und seitdem als Vorbild diente.“
Reden wir mal drüber…
Im Februar 2025 war die Schlosskapelle Austragungsort einer internationalen Tagung unter dem Motto: „Talking about the Torgau Castle Chapel“. Dabei ging es primär um das Welterbe-Potential, dass in diesem Gebäude steckt. Das wissenschaftliche Potential der Teilnehmer war dem Anlass entsprechend hoch und gewichtig. Vertreter der Universitäten Leipzig, Mainz, Wroclaw, Würzburg, Köln und Princeton berichteten über ihre Forschungsergebnisse hinsichtlich der Rolle und Bedeutung der Torgauer Schlosskapelle und ihre Bezüge zu Martin Luther. Die Einführung ins Thema übernahm keine Geringere als Friederike Hansell von der Koordinierungsstelle UNESCO Welterbe beim Auswärtigen Amt in Berlin.
Blick in den Schlosshof von Schloss Hartenfels in Torgau. Links ist der Eingang in die Schlosskapelle zu sehen. Fotos: Landratsamt Nordsachsen
Das Landratsamt Nordsachsen hatte zu der Tagung eingeladen. Lydia Klöppel (Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin Kulturbetrieb Schloss Hartenfels) erklärt den Hintergrund wie folgt: „Die Tagung war notwendig, um eine breite Öffentlichkeit zu schaffen und gleichzeitig die führenden Wissenschaftler mit Know-how und Renommée zu vereinen. Wir haben interdisziplinär gearbeitet und dabei regionale und internationale Perspektiven auf die Torgauer Kapelle zusammengebracht. Im Ergebnis der Tagung entsteht eine Publikation, die im September 2025 erscheinen wird. Gleichzeitig wird Deutschland das Formular für die Vorabeinschätzung bei der UNESCO in Paris einreichen. So wird es den Prüfern möglich sein, nicht nur das relativ kurze Formular zu bewerten, sondern auch die fachliche Einschätzung der Wissenschaftler einzusehen und in die Bewertung einzubeziehen.“
Winterkirche, Gottesdienste und Konzerte
Die Kapelle im Schloss Hartenfels zu Torgau fristet aber kein Dornröschen-Dasein... auch wenn das Schloss schon einmal als Filmkulisse für das gleichnamige Märchen der Gebrüder Grimm herhalten musste. Im Gegenteil. Seit fast 100 Jahren nutzt die Evangelische Kirchengemeinde Torgau die Kapelle für Gottesdienste und Konzerte – besonders von Oktober bis Mai, wo der Luxus der Heizung von allen hoch geschätzt wird. Rechtlich geregelt wird dies durch einen unbefristeten Nutzungsvertrag mit dem Landkreis Nordsachsen, der Eigentümer des Schlosses ist. Pfarrerin Christiane Schmidt: „Die Kirchengemeinde unterstützt natürlich die Bewerbung, weil sie sich des hohen kirchengeschichtlichen Stellenwertes des ersten protestantischen Kirchenbaus bewusst ist. Wir fühlen uns geehrt und freuen uns über das Interesse an unserer Kirche.“ Doch nicht nur zur kirchlichen Nutzung steht die Kapelle im Schloss Interessierten aus Nah und Fern offen. Die Kirchengemeinde sorgt dafür, dass die Touristen nicht außen vor bleiben. Christiane Schmidt: „Schon seit vielen Jahren bemühen wir uns, die Kirche den Besucherinnen und Besuchern von April bis Oktober auch an den Wochentagen zugänglich zu halten. Das dafür nötige Aufsichtspersonal vorzuhalten ist herausfordernd, bisher aber immer gelungen. Wie möglicherweise längere Öffnungszeiten gewährleistet werden können, bedarf noch einiger Überlegungen. Die Kirchengemeinde wird aus ihren eigenen Kräften nicht dafür garantieren können, aber in Zusammenarbeit mit dem Landkreis als Eigentümer des Schlosses und Betreiber der Museen wird sich sicherlich eine Lösung finden lassen.“
Kooperation funktioniert
Im Landratsamt – das sich übrigens im Schloss an der Elbe befindet – ist man über die gute Zusammenarbeit sehr froh. Lydia Klöppel: „Wir haben bereits einen Management-Plan erarbeitet, um die Interessen der Kirchengemeinde mit den touristischen und konservatorischen Anforderungen des UNESCO-Verfahrens in Einklang zu bringen. Das bestehende System der Kooperation von Kirchengemeinde und Landratsamt wird als funktionierend eingeschätzt.“ So wurde z. B. die Ausstellung „Standfest. Bibelfest. Trinkfest.“ in den Kurfürstlichen Gemächern so konzipiert, dass sie die Verbindung Luthers zum Kurfürsten und zur Kapelle, bzw. zur Reformation beleuchtet. Lydia Klöppel „Übrigens endet der Ausstellungsrundgang auf der Empore des Kurfürsten – Interessierte können also im Rahmen des Rundgangs ungeachtet der Öffnungszeiten der Kirche die Kapelle besuchen. Das trifft natürlich nicht zu, wenn Gottesdienste oder Kirchenmusik stattfinden, dann ist der Zutritt den Teilnehmern dieser Veranstaltungen vorbehalten. Torgau ist also bestens gerüstet.“ Andreas Bechert